Milch & Honig Festival: Ein Kulturwochenende in Wiener Neustadt
Im April/Mai 2023 fand zum ersten Mal das Milch & Honig Festival in Wiener Neustadt statt. Ich durfte eines der buchbaren Wochenendpackages ausprobieren und mich davon überzeugen, dass die Stadt auch gehobene Kultur kann. Und diese muss nicht zwingend mit Anzug und Konzerthaus daherkommen, sondern geht auch familienfreundlich und locker!
Über das Milch & Honig Festival
Bevor ich euch berichte, was wir so erlebt haben an diesem Wochenende, will ich erzählen, was es mit dem Milch & Honig Festival so auf sich hat.
Die Idee
Initiiert und geleitet wurde es von Klarinettist Christoph Zimper, der auch Professor für Klarinette an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien ist. Im Rahmen eines Ausflugs hatten wir Gelegenheit, uns mit ihm zu unterhalten. Dabei hat er uns auch seine Motive dargelegt, warum es so ein Festival wie Milch & Honig jetzt einfach gebraucht hat.
Als Spitzenmusiker hat er natürlich viele nationale und internationale Konzerte gespielt, unter anderem bei den Wiener Philharmonikern oder der Staatskapelle Dresden. Jedoch, so sagt er, wurde der Funke zur eigenen Schaffenskraft nie so wirklich entzündet. Der Künstlermarkt sei irgendwie gleich geblieben seit vielen Jahren. Jedoch hat sich im „Untergrund“ Wiens eine Szene gebildet, die was Neues machen wollte und wo die Kooperationsbereitschaft untereinander sehr groß war.
Und so wurde aus verschiedenen eigenständigen Dingen was Neues. Wie wenn man Milch & Honig miteinander mischt, so verschmelzen auch die Kunstformen miteinander und werden zu etwas Gutem, das wohliges Erinnern auslösen soll. Es sollte ein Erlebnis für die Sinne sein. Ziel des Festivals war es, dass ein Konzert mehr ist als bloß ein Konzert, sondern dass in den acht stattfindenden Konzerten so innovativ an Musik herangegangen werden soll, wie es das Publikum noch nicht erlebt hat.
Die Umsetzung
Ob bei uns der Funke übergesprungen ist, liest du dann weiter unten, ich will nichts vorwegnehmen. Stattdessen eine kurze Info zum Festival-Modus:
Das 1. Milch & Honig Festival fand von 14.4. bis 12.5.2023 in Wiener Neustatt statt. Man konnte sowohl einzelne Konzertkarten als auch ganze Wochenendpakete kaufen. Acht Konzerte waren es insgesamt. Darunter zum Beispiel Formate wie ein „Concert in the dark“, also Musik in völliger Dunkelheit, oder „The Mozart Sound Healing“, so Mozarts Musik mit Obertongesang kombiniert wurde, während es sich das Publikum auf Yoga-Matten gemütlich machen konnte.
Für drei Wochenenden standen die Übernachtungspackages zur Auswahl. Inkludiert waren jeweils 1 bzw. 2 Nächte in einem Wiener Neustädter Hotel, 2 Konzerttickets und die Teilnahme an Aktivitäten wie etwa einer Kostümführung, Yoga-Sessions oder einem Ausflug auf den Semmering.
Alle Konzerte wurden zentral in der Stadt gespielt: eines im MÄX, eines im Stadtpark neben den Kasematten und die anderen in den Kasematten. Beteiligt daran waren an die 60 Künstlerinnen und Künstler.
Das klassische Kaiser-Wochenende beim ersten Milch & Honig Festival
Eines der buchbaren Packages trug den Namen „klassisches Kaiser-Wochenende“. Für dieses haben wir uns entschieden, weil es nämlich einen Ausflug auf den Semmering beinhaltete. Doch der Reihe nach…
Anreise und Hotel
Wie in allen Packages waren auch in diesem zwei Übernachtungen, zwei Konzerte und eine Aktivität mit dabei. Als Hotel wurde von den Veranstaltern das Hilton Garden Inn direkt am Stadtpark gewählt. Dieses liegt unweit vom Bahnhof entfernt, sodass man es in einem 10minütigen Spaziergang bequem erreicht.
Wer mit dem Auto kommt, kann direkt vorm Hotel parken. Wir fanden es allerdings angenehmer, gleich mit dem Zug anzureisen. Für den Ausflug, der im Package dabei ist, brauchte man nämlich kein eigenes Fahrzeug, sondern dafür gab’s einen Sammelbus. Somit waren wir in etwa 2 Stunden von Graz aus ganz stressfrei in Wiener Neustadt.
Das Hotel selbst ist ein gehobenes Business Hotel. Unser Zimmer im fünften Stock war nicht nur sehr hübsch, sondern der Ausblick auf den Eselgarten und die Kapuzinerkirche auch sehr entzückend. Statt dem Krähen der Hähne gab es in der Früh so das Schreien der Esel, die zum Glück etwas später dran sind mit ihren Weckrufen.
Ich wollte schon schreiben: Das Frühstücksbuffet im Hilton Garden Inn kann sich sehen lassen. Doch das wäre eine maßlose Untertreibung! Es ist eines der besten Frühstücksbuffets, die ich jemals in einem Hotel gesehen hab (und ich war schon in vielen Häusern). Von frischen Pancakes und Waffeln über eine vegane Ecke und viel frischem Obst und Gebäck bleibt hier kein Frühstückswunsch unerfüllt.
Auch das Essen zu Mittag bzw. zu Abend ist sehr gut. Wir konnten uns vom A-la-Card-Angebot überzeugen und wurden nicht enttäuscht. Ob nun ausuferndes Frühstück oder geschmackvolles Abendessen: So kann man gut gestärkt das Kulturprogramm rund ums Milch & Honig Festival genießen.
Die Konzerte
Zwei Konzerte waren im Programmpackage enthalten. Beide waren auf ihre Art speziell und unterhaltsam und ganz anders als das, was wir bisher unter klassischen Konzerten kannten.
Schubert as I know him
Am Freitagabend hieß es „Schubert as I know him“ in den Kasematten, die gleich ums Eck vom Hotel liegen. Uns war klar, es geht dabei um Musik von Franz Schubert. Doch was genau unter der Verbindung von E+U Musik (ernste vs. Unterhaltungsmusik) gemeint ist und wie sich Schuberts Lieder anhören, wenn sie mit modernem Anstrich ins Englische übersetzt werden, war uns ein Rätsel. Dieses Rätsel haben die Künsterlerinnen und Künstler des Orchesters sowie der Singer-Songwriter Bryan Benner dann im Laufe des Abends gelöst. In 12 Stücken – aufgeteilt auf zwei Akte – haben sich das Orchester mit klassischen Stücken aus Schuberts Oktett in F-Dur und Bennet an der Gitarre mit seiner unglaublich starken Stimme abgewechselt bzw. ergänzt.
Im Orchester vertreten waren unter anderem übrigens der Star-Violinist Benjamin Schmid, der vor allem den Salzburgern ein Begriff ist, sowie der Initiator und Leiter des Festivals, Klarinettist Christoph Zimper. Man darf also durchaus von einem hochkarätig besetzten Konzert sprechen, dass dennoch über die Grenzen der klassischen Musik hinaus blickt. Die Standing Ovations zum Schluss gab es nicht umsonst!
Silent Concert
Das Bild ist jetzt nicht neu: Menschen, die mit Kopfhörern im Park sitzen und die Sonne genießen. Oder Familien, die es sich mit Picknickdecke und -rucksack in der Wiese gemütlich machen. Was allerdings neu ist: Dass diese Menschen dabei einem fantastischen klassischen Konzert lauschen.
So geschehen ist dies beim Silent Concert am Sonntag Vormittag bei bestem Frühlingswetter auf der Wiese vor den Kasematten. Die Pianistin Maria Radutu, die bereits in hochkarätigen Locations wie der Carnegie Hall und der Wiener Staatsoper gespielt hat und als eine der begnadetsten klassischen Musikerinnen unserer Zeit gilt, nahm uns dabei mit in ihre PianoBox. Die PianoBox ist ein Format, dass Emotion und Erinnerung mit Musik koppelt. So erzählte Radutu vor jedem Stück, warum sie dieses ausgewählt hatte, berichtete zum Beispiel von ersten Begegnungen mit Schuhplattlern oder ihren Fantasien, wenn sie Fado hört.
An ihrem Klavier war ein Mikrophon montiert, dass die Musik abgenommen und in den Kopfhörer gebracht hat. Wir haben es uns währenddessen in den Liegestühlen bequem gemacht, die Schuhe ausgezogen und die Sachen aus dem gut gefüllten Picknickrucksack verspeist, den es zur Konzertkarte dazugab. Ehrlich, es war das unkonventionellste klassische Konzert, auf dem ich jemals war. Es hatte tatsächlich etwas von „Festival“. Der Zugang, das am Vormittag zu veranstalten und alle Menschen von jung bis alt dazu einzuladen, mit dabei zu sein oder eben auch daneben zu spielen oder zu schlafen, ist absolut unelitär und gerade deshalb so spannend und unkonventionell.
Ihre PianoBox gibt es übrigens mittlerweile als Podcast auf Spotify. Hör gern mal rein:
Ausflug auf den Semmering
Als weiterer Programmpunkt im Package stand ein gemeinsamer Ausflug auf den Semmering am Plan. Dafür wurden wir unweit des Hotels von einem Reisebus abgeholt und waren dann in einer guten Dreiviertelstunde am ersten Ziel: dem Südbahnhotel am Semmering.
Das Südbahnhotel
Es ist ein altes – man kann schon sagen: ehrwürdiges – Hotel, welches aber in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts in den Dornröschenschlaf geschickt wurde. Alles, was es über das Südbahnhotel zu wissen gibt, wurde uns in einer Führung von Dr. Lisa Fischer nahe gebracht.
Dabei gab es wirklich spannende Einblicke in das 1882 eröffnete Haus, welches in seinen besten Zeiten an die 700 Gäste fasste. Es galt als luxuriöser Inbegriff von „Sommerfrische“, dem Rauskommen aus der Stadt in die Idylle. Die Semmeringbahn brachte Urlaubssuchende bequem hierher.
Am Südbahnhotel wurde in den Jahrzehnten nach seiner Eröffnung immer gebaut und verändert. Besichtigt man das Hotel, taucht man ein in einer Stilpluralismus der Jahre 1882 bis 1932. Letzteres fällt besonders am Eingang auf. Optisch viel ansprechender als die Betonüberdachung aus den 30ern sind die Toiletten im Erdgeschoss, die auch heute noch in Betrieb sind. Ich konnte mich kaum daran sattsehen!
Besonders spannend bei unserem Besuch war die Tatsache, dass gerade die Kulisse für „Alma“, dem Theater vonn Paulus Manker, aufgebaut wurde. So erschien das Hotel beinahe eingerichtet. Die Kulisse kommt in diesem Haus so zur Geltung, als gehöre sie hierher. Übrigens: Alle Vorstellungen im Juni und Juli 2023 sind bereits ausverkauft, es wird aber im August noch Termine geben. Wer interessiert ist, sollte sich auf der Homepage von Alma am laufenden halten.
Das Loos-Haus
Nach einer Fahrt unter den Bögen der Semmeringbahn hindurch und einem stetigen bergauf und bergab gelangten wir anschließend zum Loos-Haus. Hier in Payerbach, mitten im Nirgendwo auf einem Hang mit Blick auf den Schneeberg, steht das architektonische Kleinod.
Mit der Wahrheit und Kritik an der Person Adolf Loos spart unsere Führerin Dr. Fischer nicht – sehr zu meinem Wohlgefallen. Nichtsdestotrotz bleibt der Name Loos in der österreichischen Architekturlandschaft einer der ganz großen Namen. Es fällt schwer, das Werk vom Künstler zu trennen, es ist eigentlich unmöglich, besonders hier. Dennoch versetzt das mittlerweile zurückrenovierte Haus ins Staunen – vor allem aber kulinarisch!
Seit 1959 ist es im Besitz der Familie Wurdack/Steiner/Sehn, die hier Gastronomie auf eine ganz hohe Stufe gehoben haben. Man legt Wert auf Qualität und Regionalität, der Service funktioniert wie ein Uhrwerk und das Ambiente mit dem großen Glasverbau und der 30er-Jahre-Architektur tut das Seine.
Und so saßen wir beisammen – all jene, die das Package gebucht hatten, die äußerst kompetente Dr. Fischer, die Pianistin Maria Radutu und der Initiator des Festivals, Christoph Zimper – und genossen und plauderten und philosophierten. Übers Reisen, die Musik, das Essen. In einem der wohl interessantesten Häuser der Gegend.
Und was haben wir sonst noch von Wiener Neustadt gesehen?
Viel Zeit war bei dem dichten Programm ja nicht für eine Stadterkundung auf eigene Faust. Nach unserer Rückkehr vom Semmering am Samstag am späten Nachmittag erwartete uns noch eine Überraschung: eine kleine spontane musikalische Darbietung von Bryan Bennet, der uns ja schon am Freitag beim Konzert sehr beeindruckt hat.
Wir waren doch einigermaßen gesättigt mit Eindrücken und auch ein bisschen erschöpft. Aber eine kleine Runde ins Zentrum von Wiener Neustadt musste dann doch noch sein. So konnten wir einen Blick in den Dom werfen, das Treiben am Hauptplatz beobachten und uns im Novecento noch ein kleines Abendessen genehmigen.
Die berühmte Militätakademie haben wir auch kurz von außen gesehen und ein Spaziergang durch den Stadtpark ging sich ebenfalls aus. Ins angeblich sehr sehenswerte Museum St. Peter an der Sperr haben wir es leider nicht mehr geschafft, aber wer weiß: vielleicht haben wir ja beim zweiten Milch & Honig Festival dann Gelegenheit dazu!
Wahrlich kaiserlich – das Milch & Honig Festival in Wiener Neustadt
Zwei starke Konzerte, die klassische Musik mal ganz anders vermittelt haben, als man es so kennt und ein beeindruckender Ausflug auf den Semmering sind dem Packagenamen ‚Kaiser-Wochenende‘ wahrlich gerecht geworden. Das erste Milch & Honig Festival ist unfassbar gut gelungen und hat frischen Wind in die Wiener Neustädter Kulturszene gebracht.
Nun darf man gespannt sein, was sich die Künstlerinnen und Künstler für ein hoffentlich weiteres Festival nächstes Jahr einfallen lassen. Zumindest hat das diesjährige Festival gezeigt, dass klassische Konzerte neu gedacht werden dürfen und müssen. Die Musik mit anderen Kunstrichtungen zu vereinen, alle Sinne anzusprechen und auch mal auszubrechen aus Traditionen tut der Szene eindeutig gut und verjüngt auch das Publikum. Wir haben uns jedenfalls bestens unterhalten gefühlt – einfach, weil’s so anders war!
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Hier findest du noch weitere Berichte über das Milch & Honig Festival in Wiener Neustadt:
- Angelika vom Blog Wiederunterwegs war am ersten Wochenende vor Ort und beschreibt, wie es ist, einem Konzert im Dunklen zu lauschen
- Mit mir in Wiener Neustadt war auch Claudia von Claudia on tour. Sie berichtet in ihrem Artikel von den Eindrücken der Stadt
Offenlegung: Im Sinne der Transparenz weise ich darauf hin, dass ich auf diese Reise eingeladen wurde. Der Artikel entstand in Kooperation mit dem Festivalveranstalter. Meine eigene Meinung bleibt trotzdem bestehen – jegliche Begeisterung ist ehrlich gemeint!
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